AKTUELLES

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Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Weiterhin keine Registereintragung für einen Verein, der für sexuelle Handlungen zwischen Mensch und Tier wirbt

Trotz mehrfacher Änderungen des Satzungsentwurfs erfolglos war die neuerliche Registeranmeldung eines Vereins, der als unter anderem als Vereinszweck anstrebt, in der Öffentlichkeit für körperliche Liebe eines Menschen zu einem Tier und für entsprechende sexuelle Handlungen um Verständnis zu werben.

Erneut wies das Amtsgericht Charlottenburg als Registergericht die Anmeldung zurück. Die Beschwerde dagegen war vor dem Kammergericht erfolglos. Der 12. Zivilsenat sah – wie zuvor das Amtsgericht – den beabsichtigten Vereinszweck als sittenwidrig an. In der Begründung heißt es u.a.: „Mit seinem Zweck verstößt der Beteiligte gegen die von der Bevölkerung allgemein anerkannte, in der (auch heutigen) Rechts- und Sozialmoral fest verankerten und mit der Rechtsordnung übereinstimmenden Sittenordnung (vgl. § 184 a StGB), welche sexuelle Handlungen des Menschen an oder mit Tieren ablehnt und als unanständig verurteilt“.

Kammergericht, Beschluss vom 3. Dezember 2012
– 12 W 69/12 –
Amtsgericht Charlottenburg, Beschluss vom 5. Juni 2012
– 95 AR 360/12 B –

Pressemitteilung des KG Berlin vom 28.12.2012

Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Keine Frage an einen Stellenbewerber nach eingestellten Ermittlungsverfahren

Der Arbeitgeber darf den Stellenbewerber grundsätzlich nicht nach eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren fragen. Eine solche unspezifizierte Frage verstößt gegen Datenschutzrecht und die Wertentscheidungen des § 53 Bundeszentralregistergesetz[nbsp](BZRG). Stellt der Arbeitgeber die Frage dennoch und verneint der Bewerber in Wahrnehmung seines informationellen Selbstbestimmungsrechts wahrheitswidrig, dass gegen ihn Ermittlungsverfahren anhängig waren, darf der Arbeitgeber das zwischenzeitlich begründete Arbeitsverhältnis nicht wegen dieser wahrheitswidrig erteilten Auskunft kündigen.

Der 1961 geborene Kläger bewarb sich als sog. Seiteneinsteiger im Sommer 2009 als Lehrer an einer Hauptschule in Nordrhein-Westfalen. Vor seiner Einstellung wurde er aufgefordert, auf einem Vordruck zu erklären, ob er vorbestraft sei, und zu versichern, dass gegen ihn kein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig sei oder innerhalb der letzten drei Jahre anhängig gewesen sei. Der Kläger unterzeichnete den Vordruck, ohne Angaben zu etwaigen Ermittlungsverfahren zu machen. Er wurde zum 15. September 2009 eingestellt. Im Oktober 2009 erhielt die zuständige Bezirksregierung einen anonymen Hinweis, der sie veranlasste, die Staatsanwaltschaft um Mitteilung strafrechtsrelevanter Vorfälle zu bitten. Die daraufhin übersandte Vorgangsliste wies mehrere nach §§ 153 ff. StPO eingestellte Ermittlungsverfahren aus. Das beklagte Land kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich, weil der Kläger die Frage nach Ermittlungsverfahren unrichtig beantwortet habe. Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Bereits eingestellte Ermittlungsverfahren habe er nicht angeben müssen.

Das Arbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung, das Landesarbeitsgericht auch die ordentliche Kündigung als unwirksam angesehen. Die hiergegen eingelegte Revision des beklagten Landes blieb vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Eine Erhebung von Daten, wie sie die unspezifizierte Frage nach Ermittlungsverfahren darstellt, ist nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen in Nordrhein-Westfalen nur zulässig, wenn sie durch eine Rechtsvorschrift erlaubt ist oder der Betroffene einwilligt. Solche Informationen zu abgeschlossenen Ermittlungsverfahren sind für die Bewerbung um eine Stelle als Lehrer nicht erforderlich und damit nicht durch § 29 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen gestattet. Die allein auf die wahrheitswidrige Beantwortung der Frage nach Ermittlungsverfahren gestützte Kündigung verstieß deshalb gegen die objektive Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie im Recht auf informationelle Selbstbestimmung, bei dem es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) handelt, zum Ausdruck kommt. Sie war deshalb gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 15. November 2012 – 6 AZR 339/11 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 10. März 2011 – 11 Sa 2266/10 –

Banken- und Kapitalmarktrecht

Bankenrecht: Keine Widerruflichkeit des Erwerbs von „Lehman-Zertifikaten“ im Fernabsatz

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hat heute in zwei Fällen entschieden, dass Anleger, die insbesondere „Lehman-Zertifikate“ per Telefon oder E-Mail erworben haben, ihre auf Abschluss der Erwerbsverträge mit der Bank gerichtete Willenserklärung nicht nach den Regeln über den Fernabsatz widerrufen können.

In beiden Fällen erwarben die Anleger von derselben beklagten Bank – in der Sache XI ZR 439/11 zusammen mit weiteren Finanzprodukten anderer Emittenten – jeweils „Global Champion“-Zertifikate. Hierbei handelt es sich um Inhaberschuldverschreibungen der niederländischen Lehman Brothers Treasury Co. B.V., deren Rückzahlung von der US-amerikanischen Lehman Brothers Holdings Inc. garantiert wurde.

In der Sache XI ZR 384/11 erteilten die Klägerin und ihr Ehemann aufgrund eines mit einem Mitarbeiter der Beklagten geführten Beratungsgesprächs am 8. Februar 2007 den Auftrag zum Kauf von 16 Zertifikaten, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob das Verkaufsgespräch ganz oder teilweise telefonisch erfolgte. Das Geschäft wurde von der Beklagten im Eigenhandel zu einem Festpreis ausgeführt. Nach der Insolvenz der Emittentin und der Garantin wurden die Zertifikate weitgehend wertlos. Im Februar 2010 erklärten die Eheleute den Widerruf aller von ihnen im Zusammenhang mit dem Kauf abgegebenen Erklärungen. Mit der in beiden Vorinstanzen erfolglosen Klage verlangt die Klägerin aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemannes im Wesentlichen die Rückzahlung des Anlagebetrages von 16.069,60 € nebst Zinsen abzüglich einer Bonuszahlung.

In der Sache XI ZR 439/11 erwarb der Ehemann der Klägerin auf Empfehlung von Mitarbeitern der beklagten Bank teilweise aufgrund von Telefonaten und teilweise per E-Mail verschiedene Zertifikate – darunter auch „Global Champion“-Zertifikate – sowie Anteile eines u.a. in Zertifikate investierenden Fonds. Im Juli 2011 widerrief der Zedent sämtliche Vertragserklärungen gegenüber der beklagten Bank. Mit der ebenfalls in beiden Vorinstanzen erfolglosen Klage begehrt die Klägerin aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes zuletzt noch die Rückerstattung verlorener Anlagebeträge in Höhe von 72.394,37 €.

Der XI. Zivilsenat hat die von den Berufungsgerichten zugelassenen Revisionen der Klägerinnen zurückgewiesen. Dabei waren im Wesentlichen folgende Überlegungen für seine Entscheidung maßgeblich:

Nach § 312d Abs.4 Nr.6 BGB kann eine auf Abschluss eines Fernabsatzvertrages gerichtete Willenserklärung dann nicht widerrufen werden, wenn Gegenstand des Vertrages die Verschaffung von Finanzdienstleistungen ist, deren „Preis“ innerhalb der Widerrufsfrist – dem Einfluss des Unternehmers, hier der Bank, entzogenen – Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegt. Dabei ist der Begriff des Preises nach der Systematik und der Gesetzgebungsgeschichte weit zu verstehen. „Preis“ ist nicht nur ein Börsen- oder Marktpreis, der für das Produkt selbst auf dem Finanzmarkt gezahlt wird. „Preis“ im Sinne des § 312d Abs.4 Nr.6 BGB können vielmehr auch die Parameter sein, von denen der Wert des Finanzprodukts abhängt.

So sollten etwa Bonuszahlungen und die Rückzahlung der „Lehman-Zertifikate“ in Abhängigkeit von der Entwicklung dreier Aktienindizes (Dow Jones EuroSTOXX 50, Standard [&] Poor´s 500 sowie Nikkei 225) während dreier aufeinander folgender Beobachtungszeiträume ab dem 7.Februar 2007 erfolgen. Entsprechend hing der innere Wert der Zertifikate mit Beginn der Beobachtungszeiträume von Parametern („Basiswerten“ oder „Underlyings“), nämlich der Entwicklung der drei Aktienindizes, ab, die von der beklagten Bank nicht beeinflussbaren Schwankungen auf den Finanzmärkten unterworfen waren.

Der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312d Abs.4 Nr.6 BGB bei dem Erwerb solcher Papiere soll das Risiko eines wenigstens mittelbar finanzmarktbezogen spekulativen Geschäfts mit seinem Abschluss in gleicher Weise auf beide Parteien verteilen. Der Anleger, der wie in den entschiedenen Fällen zugleich Verbraucher ist, soll einen drohenden Verlust aufgrund fallender Basiswerte innerhalb der Widerrufsfrist nicht durch Ausübung des Widerrufsrechts auf den Unternehmer abwälzen können.

Weil ein Widerrufsrecht schon nach § 312d Abs. 4 Nr.6 BGB nicht in Betracht kam, konnte das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen eines Fernabsatzvertrages dahinstehen.

Urteil vom 27. November 2012 – XI ZR 384/11

LG Mönchengladbach – Urteil vom 1. Juni 2010 – 3 O 328/09

OLG Düsseldorf – Urteil vom 22. Juli 2011 – I-17 U 117/10

ZIP 2012, 419 ff.

und

Urteil vom 27. November 2012 – XI ZR 439/11

LG Mannheim – Urteil vom 7. April 2010 – 8 O 282/09

OLG Karlsruhe – Urteil vom 13. September 2011 – 17 U 104/10

WM 2012, 213 ff.

Karlsruhe, den 27. November 2012

* § 312b BGB (Auszug)

Fernabsatzverträge

(1) Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Finanzdienstleistungen im Sinne des Satzes 1 sind Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung.

(2) …

** § 312d BGB (Auszug)

Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen

(1) Dem Verbraucher steht bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu. Anstelle des Widerrufsrechts kann dem Verbraucher bei Verträgen über die Lieferung von Waren ein Rückgaberecht nach § 356 eingeräumt werden.

(2) …

(4) Das Widerrufsrecht besteht, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nicht bei Fernabsatzverträgen

1. …

6. die die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Finanzdienstleistungen zum Gegenstand haben, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, Anteilsscheinen, die von einer Kapitalanlagegesellschaft oder einer ausländischen Investmentgesellschaft ausgegeben werden, und anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten oder

7.…“

Pressemitteilung des BGH vom 28.11.2012