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Banken- und Kapitalmarktrecht

Bankenrecht: 4% Disagio bei KfW-Darlehen ist grds. rechtmäßig nach BGH vom 16.02.2016

Laut BGH ist die streitige Klausel wirksam, denn sie enthält zwei inhaltlich voneinander zu trennende Regelungen. Der Abzugsbetrag von 4 % ist nämlich in eine Bearbeitungsgebühr von 2 % und in eine Risikoprämie von 2 % aufgeteilt, die jeweils Gegenstand einer eigenständigen AGB-rechtlichen Wirksamkeitsprüfung sind.

Dass die Darlehensnehmer das Darlehen jederzeit während der andauernden Zinsbindung vollständig tilgen können ohne das eine Vorfälligkeitsentschädigung anfällt (Risikoprämie), stellt einen wirtschaftlichen Vorteil dar. Diese zusätzlich angebotene Leistung darf gesondert in Form einer Risikoprämie – hier in Höhe von 2 % des Darlehensnennbetrages – bepreist werden, ohne dass dies einer AGB-rechtlichen Inhaltsunterkontrolle unterliegt.

Soweit allerdings eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 2 % gefordert, handelt es sich zwar um eine kontrollfähige Preisnebenabrede. Denn mit der Bearbeitungsgebühr wird ein Aufwand bepreist, der keine Sonderleistung betrifft, sondern der Beschaffung des Förderdarlehens dient und damit bei der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung durch das Kreditinstitut entsteht. Dass dieser Aufwand nicht unmittelbar bei dem beklagten Kreditinstitut entstanden ist, sondern von diesem einem Dritten, hier der KfW, zu erstatten ist, ändert an der Kontrollfähigkeit der Klausel nichts.[nbsp]

Die Klausel hält aber einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle stand, da sie die Darlehensnehmer auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Hierbei ist auf den Zweck der Förderung abzustellen. Denn bei dem KfW-Darlehen handelt es sich nicht um eines, das nach den Bedingungen des Kapitalmarktes vergeben wurde, sondern um die zweckgebundene Gewährung besonders günstiger Mittel zur Förderung wirtschaftspolitischer Ziele, bei der das Bearbeitungsentgelt Teil der vorgegebenen Förderbedingungen ist. Die Gewährung der Förderdarlehen dient von vornherein nicht der Verfolgung eigenwirtschaftlicher Interessen der KfW, sondern beruht auf einem staatlichen Förderauftrag.

Ein Rückzahlungsanspruch wurde daher nicht zugesprochen.

BGH vom 16.Februar 2016, Az.[nbsp]XI ZR 454/14

Anwaltskanzlei Canestrini Clark von Knorre Wiekhorst – Augsburg, Göppingen und Donauwörth

Anwaltskanzlei Göppingen, den 16.02.2016

Banken- und Kapitalmarktrecht

Bankenrecht: Keine Vorfälligkeitsentschädigung bei fristloser Verbraucherdarlehenskündigung wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers

Bei notleidenden Krediten. die die Bank infolge Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers vorzeitig kündigt, erhält diese keine Vorfälligkeitsentschädigung.

Im dem Rechtsstreit ging es darum, dass die Bank im Jahr 2010 und 2011 zwei Darlehen vorzeitig wegen Zahlungsverzugs gekündigt hatte und neben der offene Darlehensvaluta noch eine Vorfälligkeitsentschädigung iHv. 76.602,94[nbsp]€ und 9.881,85[nbsp]€ wollte. Zur Abwehr der Zwangsvollstreckung bezahlte der Kläger die verlangte Vorfälligkeitsentschädigung und verlangte nun diese zurück. Zu Recht wie der BGH bestätigte.

Es ging darum, ob die Banken bei einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges anstelle des Verzögerungsschadens eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen dürfen. Vorliegend war der Wortlaut des §[nbsp]497 Abs.[nbsp]1 BGB in der Fassung bis zum 10.[nbsp]Juni 2010 im Streit.

Der Gesetzgeber wollte eine einfache und praktikable Möglichkeit zur Schadensberechnung und erklärte, dass „der Verzugszins nach Schadensersatzgesichtspunkten zu ermitteln ist“ und nicht mehr. Wenn nun die Bank anstelle des „einfachen“ Verzugszinses noch eine „komplizierte“ Vorfälligkeitsentschädigung beanspruchen könnte, wäre dieses Ziel nicht erreichbar. Daher wurde vom Gesetzgeber bewusst eine andere Schadensberechnung ausgenommen, so dass keine Vorfälligkeitsentschädigung zu bezahlen ist.

Die Bank musste vorliegend die geleisteten Zahlungen nebst Zinsen zurückzahlen.

BGH vom 19. Januar 2016, Az. XI ZR 103/15

Anwaltskanzlei Canestrini Clark von Knorre Wiekhorst – Augsburg, Göppingen und Donauwörth

Anwaltskanzlei Göppingen, den 19.01.2016

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Arzthaftungsrecht

Arzthaftungsrecht: Silikonbrustimplantate werden ein Fall für den EuGH

Die Klägerin ließ sich am 1. Dezember 2008 in Deutschland Silikonbrustimplantate einsetzen, die von einem in Frankreich ansässigen Unternehmen, das zwischenzeitlich in Insolvenz gefallen ist, hergestellt worden waren. 2010 stellte die zuständige französische Behörde fest, dass bei der Herstellung der Brustimplantate entgegen dem Qualitätsstandard minderwertiges Industriesilikon verwendet wurde. Auf ärztlichen Ratschlag ließ sich die Klägerin daraufhin 2012 ihre Implantate entfernen. Sie begehrt deshalb von der Beklagten ein Schmerzensgeld von 40.000 € und die Feststellung der Ersatzpflicht für künftig entstehende materielle Schäden.

Silikonbrustimplantate sind Medizinprodukte, die nur in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn u.a. ein Konformitätsbewertungsverfahren nach § 6 Abs. 2 Satz 1, § 37 Abs. 1 Medizinproduktegesetz (MPG), § 7 Abs. 1 Nummer 1 Medizinprodukte-Verordnung (MPV) in Verbindung mit Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte* durchgeführt worden ist. Bestandteil dieses Konformitätsbewertungsverfahrens ist die Überprüfung (Audit) des Qualitätssicherungssystems, die Prüfung der Produktauslegung und die Überwachung. Diese Aufgaben werden von einer sogenannten benannten Stelle durchgeführt, die der Hersteller zu beauftragen hat.

Das in Frankreich ansässige Herstellerunternehmen beauftragte die Beklagte als benannte Stelle mit den genannten Aufgaben. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte ihren Pflichten als benannter Stelle nicht hinreichend nachgekommen sei. Insbesondere eine Sichtung der Geschäftsunterlagen und eine Produktprüfung hätten dazu geführt, die Herstellung mittels Industriesilikon zu entdecken und eine Verwendung der Silikonbrustimplantate zu verhindern.[nbsp]

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, Sinn und Zweck der von der Beklagten durchgeführten Zertifizierung, die auf eine Begutachtung des Qualitätssicherungssystems des Herstellers hinauslaufe, sei nicht der Schutz potentieller Patientinnen. Zudem sei die Handhabung der Beklagten, angemeldete Besichtigungen zum Zwecke der Überwachung durchzuführen, ausreichend gewesen.[nbsp]

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Revision eingelegt, mit der sie ihr Klagebegehren weiter verfolgt.

Der u.a. für die Haftung wegen fehlerhafter Gutachten zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat beschlossen, dem Gerichtshof der Europäischen Union drei Fragen zur Auslegung der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte vorzulegen:

Ist es Zweck und Intention der Richtlinie, dass die mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragte benannte Stelle bei Medizinprodukten der Klasse III zum Schutz aller potentiellen Patienten tätig wird und deshalb bei schuldhafter Pflichtverletzung den betroffenen Patienten unmittelbar und uneingeschränkt haften kann?

Ergibt sich aus den genannten Nummern des Anhangs II der Richtlinie 93/42/EWG, dass der mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragten benannten Stelle bei Medizinprodukten der Klasse III eine generelle oder zumindest anlassbezogene Produktprüfungspflicht obliegt?[nbsp]

Ergibt sich aus den genannten Nummern des Anhangs II der Richtlinie 93/42/EWG, dass der mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragten benannten Stelle bei Medizinprodukten der Klasse III eine generelle oder zumindest anlassbezogene Pflicht obliegt, Geschäftsunterlagen des Herstellers zu sichten und/oder unangemeldete Inspektionen durchzuführen?

Diese Fragen sind für die Entscheidung über die Revision der Klägerin erheblich. Sie betreffen einerseits die Frage der Drittwirkung der Pflichten einer benannten Stelle zugunsten der Patientinnen und andererseits den Umfang der Überwachungspflichten. Da die Fragen auf der Grundlage der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte beantwortet werden müssen, ist der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft zuständig, zur Fortbildung des Europäischen Rechts die Richtlinie auszulegen.

*Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte

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5.3. Die benannte Stelle führt regelmäßig die erforderlichen Inspektionen und Bewertungen durch, um sich davon zu überzeugen, dass der Hersteller das genehmigte Qualitätssicherungssystem anwendet, und übermittelt dem Hersteller einen Bewertungsbericht.

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5.4. Darüber hinaus kann die benannte Stelle unangemeldete Besichtigungen beim Hersteller durchführen. Dabei kann die benannte Stelle erforderlichenfalls Prüfungen zur Kontrolle des ordnungsgemäßen Funktionierens des Qualitätssicherungssystems durchführen oder durchführen lassen. Die benannte Stelle stellt dem Hersteller einen Bericht über die Besichtigung und gegebenenfalls über die vorgenommenen Prüfungen zur Verfügung.

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Beschluss vom 9. April 2015 – VII ZR 36/14

LG Frankenthal (Pfalz) – Urteil vom 14. März 2013 – 6 O 304/12

OLG Zweibrücken – Urteil vom 30. Januar 2014 – 4 U 66/13

Karlsruhe, den 9. April 2015

Pressemitteilung des BGH vom 09.04.2015

Anwaltskanzlei Canestrini Clark Wiekhorst – Augsburg, Göppingen und Donauwörth

Anwaltskanzlei Göppingen vom 10.04.2015