Banken- und Kapitalmarktrecht

Bankenrecht: Erbnachweisklausel in den AGB einer Sparkasse unwirksam 08102013

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Unterlassungsklage eines Verbraucherschutzverbands entschieden, dass die nachfolgende Bestimmung in Nr. 5 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Sparkasse im Bankverkehr mit Privatkunden (Verbrauchern) nicht verwendet werden darf, weil sie diese unangemessen benachteiligt und deswegen nach § 307 BGB* unwirksam ist:[nbsp]

„Nr. 5 Legitimationsurkunden[nbsp]

(1) Erbnachweise[nbsp]

Nach dem Tode des Kunden kann die Sparkasse zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder ähnlicher gerichtlicher Zeugnisse verlangen; fremdsprachige Urkunden sind auf Verlangen der Sparkasse mit deutscher Übersetzung vorzulegen. Die Sparkasse kann auf die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift vom Testament oder Erbvertrag des Kunden sowie der Niederschrift über die zugehörige Eröffnungsverhandlung vorgelegt wird.[nbsp]

Die Instanzgerichte haben der Unterlassungsklage stattgegeben. Die Revision der beklagten Sparkasse hat der XI. Zivilsenat zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Die beanstandeten Regelungen in Nr. 5 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen stellen kontrollfähige Abweichungen von Rechtsvorschriften dar. Der Erbe ist von Rechts wegen nicht verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen, sondern kann diesen Nachweis auch in anderer Form führen. Abweichend hiervon kann die Beklagte nach dem Wortlaut von Nr. 5 Abs. 1 Satz 1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vorlage eines Erbscheins zum Nachweis des Erbrechts unabhängig davon verlangen, ob im konkreten Einzelfall das Erbrecht überhaupt zweifelhaft ist oder ob es auch auf andere – einfachere und/oder kostengünstigere – Art nachgewiesen werden könnte. Soweit nach der streitigen Regelung die Vorlage der darin genannten Urkunden „zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung“ verlangt werden kann, ist damit lediglich der Anlass umschrieben, mit dem die Sparkasse ihr Verlangen nach Vorlage eines Erbscheins begründet. Die Entscheidung hingegen, wann die Berechtigung des Erben „klärungsbedürftig“ ist, steht wiederum im Ermessen der Beklagten. Die streitige Klausel kann auch nicht wegen der Verwendung des Wortes „kann“ in Satz 1 und 2[nbsp] einschränkend dahin ausgelegt werden, dass der Sparkasse ein Spielraum zusteht, den sie nur nach „billigem Ermessen“ ausüben darf. Selbst unter Zugrundelegung eines solchen Entscheidungsmaßstabs würde jedenfalls der weite Spielraum der Billigkeit nicht den Anforderungen an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formularbestimmung genügen.

Der danach eröffneten Inhaltskontrolle halten die angegriffenen Regelungen nicht stand. Das uneingeschränkte Recht der Beklagten, zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheins zu verlangen bzw. in bestimmten Situationen darauf zu verzichten, ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und benachteiligt die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).[nbsp]

Die Klausel gewährt der Beklagten generell und unabhängig davon, ob im Einzelfall das Erbrecht zweifelhaft ist oder durch andere Dokumente einfacher und/oder kostengünstiger nachgewiesen werden kann, das Recht, auf der Vorlage eines Erbscheins zu bestehen. Zwar hat eine Sparkasse nach dem Tod eines Kunden grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme sowohl durch einen etwaigen Scheinerben als auch durch den wahren Erben des Kunden zu entgehen. Daraus folgt indes nicht, dass sie einschränkungslos die Vorlegung eines Erbscheins verlangen kann. Vielmehr sind im Rahmen der anzustellenden Interessenabwägung die Interessen des (wahren) Erben – der als Rechtsnachfolger in die Stellung des Erblassers als Vertragspartner der Sparkasse eingerückt ist und auf dessen mögliche Benachteiligung es daher ankommt – vorrangig. Ihm ist regelmäßig nicht daran gelegen, auch in Fällen, in denen er sein Erbrecht unproblematisch anders als durch Vorlage eines Erbscheins nachweisen kann, das unnütze Kosten verursachende und zu einer Verzögerung der Nachlassregulierung führende Erbscheinverfahren anstrengen zu müssen. Ebenso wenig kann er auf die Möglichkeit verwiesen werden, von ihm zunächst – zu Unrecht – verauslagte Kosten später im Wege des Schadensersatzes, ggf. sogar nur unter Beschreitung des Klageweges von der Sparkasse, erstattet zu verlangen. Schließlich streitet auch die Sonderregelung des § 35 Abs. 1 der Grundbuchordnung (GBO)** nicht für die Wirksamkeit der angefochtenen Klausel. Diese knüpft sogar höhere Anforderungen an den Erbfolgenachweis als sie im Grundbuchrecht von Gesetzes wegen bestehen.[nbsp]

Urteil vom 8. Oktober 2013 – XI ZR 401/12 [nbsp]

OLG Hamm – Urteil vom 1. Oktober 2012 – 31 U 55/12, WM 2013, 221

LG Dortmund – Urteil vom 17. Februar 2012 – 25 O 650/11

Karlsruhe, den 8. Oktober 2013

[nbsp]

* § 307 BGB Inhaltskontrolle[nbsp]

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.[nbsp]

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung[nbsp]

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder[nbsp]

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.[nbsp]

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.[nbsp]

** § 35 GBO

(1) Der Nachweis der Erbfolge kann nur durch einen Erbschein geführt werden. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt es, wenn an Stelle des Erbscheins die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden; erachtet das Grundbuchamt die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen, so kann es die Vorlegung eines Erbscheins verlangen.

Pressemitteilung des BGH vom 08.10.2013

Anwaltskanzlei Canestrni Clark – Augsburg, Donauwörth und Göppingen

Anwaltskanzlei Göppingen, den 08.10.2013

Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Verpflichtung zur Nutzung einer elektronischen Signaturkarte

Ein Arbeitgeber kann von seinem Arbeitnehmer die Beantragung einer qualifizierten elektronischen Signatur und die Nutzung einer elektronischen Signaturkarte verlangen, wenn dies für die Erbringung der Arbeitsleistung erforderlich und dem Arbeitnehmer zumutbar ist.

Die Klägerin ist als Verwaltungsangestellte im Wasser- und Schifffahrtsamt Cuxhaven beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehört die Veröffentlichung von Ausschreibungen bei Vergabeverfahren. Seit dem 1. Januar 2010 erfolgen diese Veröffentlichungen nur noch in elektronischer Form auf der Vergabeplattform des Bundes. Zur Nutzung wird eine qualifizierte elektronische Signatur benötigt, die nach den Bestimmungen des Signaturgesetzes (SigG) nur natürlichen Personen erteilt wird. Die Beklagte wies daraufhin die Klägerin an, eine solche qualifizierte Signatur bei einer vom SigG vorgesehenen Zertifizierungsstelle, einem Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG, zu beantragen. Dazu müssen die im Personalausweis enthaltenen Daten zur Identitätsfeststellung an die Zertifizierungsstelle übermittelt werden. Die Kosten für die Beantragung trägt die Arbeitgeberin.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber könne sie nicht verpflichten, ihre persönlichen Daten an Dritte zu übermitteln; dies verstoße gegen ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Auch sei nicht sichergestellt, dass mit ihren Daten kein Missbrauch getrieben werde.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb vor dem Zehnten Senat erfolglos.

Die Beklagte hat von ihrem arbeitsvertraglichen Weisungsrecht (§ 106 GewO) angemessen Gebrauch gemacht. Der mit der Verpflichtung zur Nutzung einer elektronischen Signaturkarte verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist der Klägerin zumutbar. Die Übermittlung der Personalausweisdaten betrifft nur den äußeren Bereich der Privatsphäre; besonders sensible Daten sind nicht betroffen. Der Schutz dieser Daten wird durch die Vorschriften des SigG sichergestellt; sie werden nur durch die Zertifizierungsstelle genutzt. Auch durch den Einsatz der Signaturkarte entstehen für die Klägerin keine besonderen Risiken. So enthält die mit dem Personalrat abgeschlossene Dienstvereinbarung ausdrücklich eine Haftungsfreistellung; die gewonnenen Daten dürfen nicht zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle durch den Arbeitgeber verwendet werden.
Bundesarbeitsgericht[nbsp]Urteil vom 25. September 2013 – 10 AZR 270/12 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil vom 12. September 2011 – 8 Sa 355/11 –

Pressemitteilung des Bundesarbetsgerihctes vom 25.09.2013

Anwaltskanzlei Canestrini Clark – Augsburg, Donauwörth und Göppingen

Anwaltskanzlei Göppingen, den 05.10.2013

Arzthaftungsrecht

Arzthaftungsrecht: Brustkrebs zu spät erkannt – Frauenarzt haftet

Ein Frauenarzt haftet auf Schadensersatz, weil er einer Patientin, bei der im Jahre 2010 Brustkrebs diagnostiziert wurde, nicht bereits bei der im Jahre 2008 durchgeführten Krebsvorsorgeuntersuchung zu einem Mammographiescreening geraten hat. Das hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm unter teilweiser Abänderung der Entscheidung des Landgerichts Essen mit Urteil vom 12.08.2013 entschieden.

Die heute 66jährige Klägerin aus Dorsten befand sich seit langen Jahren in frauenärztlicher Behandlung beim beklagten Arzt in Dorsten. Der Beklagte nahm jährliche Brustkrebsvorsorgeuntersuchungen vor, bei denen er neben der klinischen Untersuchung eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) der Brust veranlasste. Im Jahre 2001 fand eine Mammographie statt, zu deren Wiederholung der Beklagte der Klägerin erst im Jahre 2010 riet. Aus der dann durchgeführten Mammographie ergab sich der Verdacht eines Mammakarzinoms in einer Brust. Der Tumor wurde in der Folgezeit diagnostiziert und operativ behandelt, wobei befallene Lymphknoten entfernt werden mussten. Im Anschluss hieran hatte sich die Klägerin einer Strahlentherapie [nbsp]und einer Chemotherapie zu unterziehen. Vom Beklagten hat sie umfassenden Schadensersatz verlangt, u.a. ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 €. Sie hat gemeint, der Brustkrebs sei bei ihr früher zu erkennen und weniger belastend zu behandeln gewesen, wenn ihr der Beklagte im Rahmen der Krebsvorsorge ab dem Jahr 2002 zu einer Mammographie geraten hätte.

Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat dem Klagebegehren weitgehend entsprochen und der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 € zugesprochen. Der Beklagte hafte, weil er der Klägerin nicht bereits bei der Vorsorgeuntersuchung im Jahre 2008 zur Teilnahme an einem Mammographiescreening geraten habe. Zu dieser Zeit sei eine Mammographie als einzig sichere Methode zur Senkung des Mortalitätsrisikos anerkannt gewesen. In dem speziellen Fall der Klägerin sei der unterlassene Rat, an einem Mammographiescreening teilzunehmen, sogar als grober Behandlungsfehler zu bewerten, weil es der Klägerin während ihrer Behandlung ersichtlich auf die Minimierung jedweden Brustkrebsrisikos angekommen sei und der Beklagte ihr zudem zuvor ein Medikament verordnet habe, das geeignet gewesen sei, das Brustkrebsrisiko zu erhöhen. Zu Gunsten der Klägerin sei deswegen davon auszugehen – den Nachweis eines anderen Verlaufs habe der Beklagte aufgrund des groben Behandlungsfehlers zu erbringen, aber nicht erbracht –, dass sich bei einer bereits im Jahr 2008 erkannten Krebserkrankung noch keine Metastasen gebildet hatten und die Klägerin mit einer weniger belastenden Operation hätte behandelt werden können. Auch eine Chemotherapie wäre ihr dann erspart geblieben. Diesen Verlauf habe auch der im Verfahren gehörte medizinische Sachverständige für nicht unwahrscheinlich gehalten. Im Übrigen hätte sich bei einer früheren Behandlung eine günstigere Prognose für die 5-Jahres-Überlebensrate ergeben.

Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 12.08.2013 (3 U 57/13)

Pressemitteilung des OLG Hamm vom 09.09.2013

Anwaltskanzlei Canestrini Clark – Augsburg, Donauwörth und Göppingen

30.09.2013

Arzthaftungsrecht

Arzthaftungsrecht: Erektionsstörungen nach Prostataoperation gibt keinen Schadensersatz

Nach einer fachgerechten, mit einer Vasektomie (Durchtrennung der Samenleiter) durchgeführten Prostataoperation kann der Patient keinen Schadensersatz für eine Erektionsstörung verlangen, weil diese nicht auf die Operation zurückzuführen ist. Für eine eingetretene Ejakulationsstörung als eine zwangsläufige Folge der Operation und für die durchgeführte Vasektomie steht ihm ebenfalls kein Schadensersatz zu, weil er insoweit zutreffend aufgeklärt wurde. Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Urteil vom 19.07.2013 entschieden und damit die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Paderborn bestätigt.

Im Juni 2008 ließ sich der seinerzeit 62jährige Kläger aus Rietberg im beklagten Krankenhaus in Erwitte von den mitverklagten Ärzten die Prostata operativ verkleinern. Nach dem mit einer Vasektomie durchgeführten Eingriff hat er von den Beklagten Schadensersatz, insbesondere ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 € verlangt. Er hat gemeint, die Operation sei aufgrund einer bei ihm aufgetretenen Erektionsstörung nicht fachgerecht durchgeführt worden. Über die Vasektomie und mögliche Ejakulationsstörungen sei er zudem nicht zutreffend aufgeklärt worden.

Die Schadensersatzklage des Klägers hatte keinen Erfolg. Den Feststellungen des medizinischen Sachverständigen folgend hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm weder einen Behandlungsfehler noch Fehler bei der Aufklärung des Klägers über mögliche Risiken der Operation feststellen können.

Die Ejakulationsstörung sei eine zwangsläufige Folge der Operation.

Die Erektionsschwäche beruhe nicht auf dieser, sondern auf andern Vorerkrankungen des Klägers. Bei dem als sog. offene Prostataoperation durchgeführten Eingriff könne es nicht zu Verletzungen von Nerven gekommen seien, die Erektionsstörungen verursachten. Über die durchgeführte Vasektomie, die medizinisch indiziert gewesen sei, um eine Entzündung der Nebenhoden zu vermeiden, und das Risiko einer Ejakulationsstörung sei der Kläger ausweislich des von ihm unterzeichneten Aufklärungsbogens unterrichtet worden. Seine ausreichende Aufklärung habe auch der beklagte Arzt, der das Aufklärungsgespräch geführt habe, bestätigt.

Urteil des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 19.07.2013 (26 U 98/12)

Pressemitteilung des OLG Hamm vom 04.09.2013

Anwaltskanzlei Canestrini Clark [nbsp]Augsburg, Donauwörth und Göppingen

Göppingen, den 30.09.2013

Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Betriebsbedingte Kündigung aber freier Arbeitsplatz im Ausland

Die aus § 1 Abs. 2 KSchG folgende Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung – ggf. im Wege der Änderungskündigung – eine Weiterbeschäftigung zu geänderten, möglicherweise auch zu erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen anzubieten, bezieht sich grundsätzlich nicht auf freie Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb des Arbeitgebers. Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes ist gemäß § 23 Abs. 1 KSchG nur auf Betriebe anzuwenden, die in der Bundesrepublik Deutschland liegen. In diesem Sinne muss auch der Betriebsbegriff in § 1 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 KSchG verstanden werden. Ob dies der Berücksichtigung von Beschäftigungsmöglichkeiten im Ausland entgegensteht, falls der Arbeitgeber seinen Betrieb als Ganzen oder einen Betriebsteil unter Wahrung der Identität verlagert, war nicht zu entscheiden.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Textilindustrie mit Sitz in Nordrhein-Westfalen. Sie unterhält seit geraumer Zeit in der Tschechischen Republik eine Betriebsstätte, in der sie Verbandsstoffe herstellt. Die „Endfertigung“ der Stoffe erfolgte in einem am Sitz der Beklagten gelegenen Betrieb. In diesem war die Klägerin seit 1984 als Textilarbeiterin tätig. Im Juni 2011 beschloss die Beklagte, ihre gesamte Produktion in der tschechischen Betriebsstätte zu konzentrieren. In Deutschland sollte lediglich die Verwaltung nebst „kaufmännischem Bereich“ bestehen bleiben. Mit Blick hierauf erklärte die Beklagte gegenüber den an ihrem Sitz beschäftigten Produktionsmitarbeitern eine ordentliche Beendigungskündigung. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte habe ihr durch den Ausspruch einer Änderungskündigung die Möglichkeit geben müssen, über einen Umzug zumindest nachzudenken.

Die Kündigungsschutzklage blieb – wie in den Vorinstanzen – vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Aufgrund der Verlagerung der „Endfertigung“ in die ‑ mehrere hundert Kilometer von ihrem Sitz entfernte ‑[nbsp]tschechische Betriebsstätte hatte die Beklagte keine Möglichkeit mehr, die Klägerin in einem inländischen Betrieb weiterzubeschäftigen. Umstände, unter denen ausnahmsweise eine Verpflichtung des Arbeitgebers zu erwägen wäre, Arbeitnehmer im Ausland weiterzubeschäftigen, lagen nicht vor.

Bundesarbeitsgericht[nbsp]Urteil vom 29. August 2013 – 2 AZR 809/12 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil vom 5. Juli 2012 – 15 Sa 759/12 –

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes vom 29.08.2013

Anwaltskanzlei Canestrini Clark – Augsburg, Donauwörth und Göppingen

08.09.2013

Banken- und Kapitalmarktrecht

Bankenrecht: Umschulden eines Darlehensvertrages ohne Vorfälligkeitsentschädigung

Die vorzeitige Umschuldung eines laufenden Darlehensvertrages ist meist mit hohen Vorfälligkeitsentschädigungen verbunden. Die gewonnene Zinsersparnis wird hierdurch meistens „aufgefressen“.

Etwas anderes gilt dann, wenn der Darlehensvertrag widerrufen werden kann, weil die Widerrufsbelehrung falsch ist. In diesen Fällen kann u.U. ein Widerruf erfolgen der zur Folge hat, dass eine Umschuldung möglich ist, ohne dass man Vorfälligkeitsentschädigungen an die Bank bezahlen muss.

Einige Gerichte haben in der letzten Zeit diverse Widerrufsbelehrungen von Banken als unwirksam gekippt und damit den Weg zum Widerruf und damit Umschuldung frei gemacht. [nbsp]Jüngstes Beispiel bildet ein Urteil des LG Ulm vom 17.07.2013, Az. 10 O 33/13 KfH wonach die Widerrufsbelehrung einiger Darlehensverträge der Sparkasse Ulm fehlerhaft und damit unwirksam sind. In diesen Fällen wäre eine Umschuldung ohne Vorfälligkeitsentschädigung grds. möglich.

Sollten sie hierzu weitere Fragen haben, so stehen wir ihnen jederzeit gerne zur Verfügung

Anwaltskanzlei Canestrini Clark – Augsburg, Donauwörth und Göppingen

Banken- und Kapitalmarktrecht

Bankenrecht: Entgeltklausel für P-Konten

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im Anschluss an seine beiden Urteile vom 13. November 2012 (XI ZR 500/11 und XI ZR 145/12; vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 191/2012) erneut über eine Entgeltklausel sowie darüber hinaus erstmals auch über weitere Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Führung eines Pfändungsschutzkontos (kurz: P-Konto) entschieden.

In der heute verhandelten Sache (vgl. dazu auch Pressemitteilung Nr. 102/2013) macht der klagende Verbraucherschutzverband gegenüber der beklagten Bank im Wege der Unterlassungsklage die Unwirksamkeit der im Preis- und Leistungsverzeichnis der Beklagten enthaltenen Entgeltklausel sowie weiterer Bedingungen für ein P-Konto geltend.

Die Beklagte weist in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis im Abschnitt „Preise für Dienstleistungen im standardisierten Geschäftsverkehr mit Privatkunden“ für von ihr angebotene Girokontenarten („Kontopakete“) mit jeweils unterschiedlichen Leistungsbestandteilen verschiedene Monatsgrundpreise aus, nämlich (jeweils ohne „Familien“- oder „Berufseinsteigerbonus“)

1. „Das Junge Konto“ – kostenlos

2. „… AktivKonto“ – 4,99 EUR

3. „… PlusKonto“ – 7,99 EUR

4. „… BestKonto“ – 9,99 EUR.

In der hieran anschließenden Rubrik „Pfändungsschutzkonto“ heißt es sodann unter anderem:

„Es wird ein monatlicher Grundpreis von 8,99 EUR berechnet. […] Die Kontoführung erfolgt grundsätzlich auf Guthabenbasis. […] Die Ausgabe einer … Bank Card oder einer Kreditkarte sowie die Nutzung des Karten- und Dokumentenservices sind nicht möglich. […] Die weiteren Leistungen entsprechen denen des … AktivKontos und sind der oben stehenden Übersicht zu entnehmen. Soweit Leistungen des … AktivKontos nicht in dessen monatlichem Grundpreis enthalten sind, werden für diese Leistungen gesondert ausgewiesene Preise auch beim Pfändungsschutzkonto gesondert berechnet.“

Der Kläger beanstandet diese Regelungen zum P-Konto in vierfacher Hinsicht, nämlich

– den monatlichen Grundpreis von 8,99 EUR für die Führung des P-Kontos,

– die Bestimmung über die Kontoführung auf Guthabenbasis,

– die Klausel, wonach beim P-Konto die Ausgabe einer … Bank Card oder einer Kreditkarte sowie die Nutzung des Karten- und Dokumentenservices nicht möglich ist, sowie

– die beim P-Konto vorgesehene gesonderte Bepreisung von Leistungen, die nicht im monatlichen Grundpreis des … AktivKontos enthalten sind.

Das Landgericht hat die Unterlassungsklage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr in vollem Umfang stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der beklagten Bank hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen. Alle vier streitigen Regelungen benachteiligen die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sind daher gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB* unwirksam.

Die Entgeltklausel über den monatlichen Grundpreis von 8,99 EUR unterliegt, wie das Berufungsgericht – inhaltlich übereinstimmend mit den eingangs genannten Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2012 (XI ZR 500/11 und XI ZR 145/12) – zutreffend angenommen hat, nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB* der Inhaltskontrolle. Es handelt sich nicht um eine kontrollfreie Preisabrede, weil das P-Konto keine besondere Kontoart mit selbständigen Hauptleistungspflichten darstellt, sondern ein herkömmliches Girokonto ist, das aufgrund einer den Girovertrag ergänzenden Vereinbarung zwischen dem Kreditinstitut und dem Kunden „als Pfändungsschutzkonto geführt“ wird (§ 850k Abs. 7 ZPO**). Die Führung eines P-Kontos stellt auch keine zusätzliche, rechtlich nicht geregelte Sonderleistung der Bank dar; diese erfüllt vielmehr eine ihr durch § 850k Abs. 7 ZPO auferlegte gesetzliche Pflicht.

Der danach eröffneten Inhaltskontrolle hält die angegriffene Entgeltklausel nicht stand, weil die Berechnung eines zusätzlichen Entgelts für die Führung des Girokontos als P-Konto – hier in Gestalt eines insbesondere gegenüber dem … AktivKonto um 4 EUR höheren monatlichen Grundpreises – mit wesentlichen Grundgedanken von § 850k Abs. 7 ZPO nicht zu vereinbaren ist. Das hat das Berufungsgericht ebenfalls in Übereinstimmung mit den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2012 (XI ZR 500/11 und XI ZR 145/12) entschieden. Danach muss ein P-Konto zwar weder kostenlos noch zwangsläufig zum Preis des günstigsten Kontomodells des betreffenden Kreditinstituts geführt werden. Der Aufwand für die Kontoführung, zu der das Kreditinstitut gesetzlich verpflichtet ist, darf aber nach dem Willen des Gesetzgebers nicht durch ein zusätzliches Entgelt gegenüber einem normalen Girokonto mit entsprechenden Leistungen auf den Kunden abgewälzt werden. Das ist jedoch bei der hier streitigen Klausel sowohl im Vergleich zum … AktivKonto als auch – unter Berücksichtigung der beim P-Konto gesondert entgeltpflichtigen Leistungen – im Vergleich zu den übrigen „Kontopaketen“ der Fall.

Die darüber hinaus beanstandeten Klauseln über die Führung des P-Kontos auf Guthabenbasis sowie zu der beim P-Konto fehlenden Möglichkeit der Ausgabe einer … Bank Card oder einer Kreditkarte halten ebenfalls nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB der Inhaltskontrolle nicht stand. Sie können bei der gebotenen „kundenfeindlichsten Auslegung“ so verstanden werden, dass bei der Umwandlung eines bestehenden Girokontos in ein P-Konto die Berechtigung des Kunden zur Inanspruchnahme eines mit der Bank vereinbarten Dispositionskredits bzw. einer Überziehungsmöglichkeit oder zur Nutzung einer ihm zur Verfügung gestellten Debitkarte oder Kreditkarte automatisch – also ohne die insoweit von Rechts wegen erforderliche (wirksame) Kündigung der zugrunde liegenden Kreditvereinbarung oder des Kartenvertrages – entfallen soll. Ein solcher kündigungsunabhängiger „Beendigungsautomatismus“ würde die Kunden der Beklagten ebenfalls entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Im Grundsatz die gleichen Erwägungen führen zur Unwirksamkeit auch der Bestimmung über die beim P-Konto fehlende Möglichkeit der Nutzung des Karten- und Dokumentenservices. Hier soll ebenfalls, soweit der Kunde aufgrund des von ihm bislang gewählten „Kontopakets“ zur Inanspruchnahme dieser Leistung berechtigt war, anlässlich der Umwandlung in ein P-Konto der mit dem Kunden vereinbarte Vertragsinhalt automatisch zum Nachteil des Kontoinhabers verändert werden.

Die Klausel über die dem … AktivKonto entsprechende gesonderte Berechnung von Leistungen schließlich ist unwirksam, weil sie für Inhaber anderer „Kontopakete“ wiederum in unzulässiger Weise die Berechnung eines zusätzlichen Entgelts für die Führung des Girokontos als P-Konto zur Folge hat.

Urteil vom 16. Juli 2013 – XI ZR 260/12

OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 6. Juni 2012 – 19 U 13/12

LG Frankfurt am Main – Urteil vom 15. Dezember 2011 – 2-10 O 148/11

Karlsruhe, den 16. Juli 2013

Pressemitteilung des BGH vom 16.07.2013

Anwaltskanzlei Canestrini Clark – Augsburg, Donauwörth und Göppingen

Baurecht

Werkvertragsrecht: Viele kleine Mängel sind ein erheblicher Mangel

Mängel einer Werkleistung, die einzeln gesehen nicht erheblich sind, können zum Rücktritt vom Vertrag berechtigen, wenn sie in der Gesamtschau als nicht unerheblich anzusehen sind.

Anfang Juni 2010 bestellte der spätere Kläger eine Aluminium-Haustüre. Diese wurde im September 2010 montiert und mit 5485,90 Euro abgerechnet. Der Besteller zahlte darauf die Hälfte, also 2742,95 Euro. Bei näherer Überprüfung stellte er schließlich einige Mängel fest und monierte sie bei dem Werkunternehmer.

Dieser lehnte eine Nachbesserung ab. Daraufhin erholte der Auftraggeber ein Gutachten.

Der Gutachter stellte folgende Mängel fest: Undichtigkeit der Tür im Sockelbereich auf Grund einer fehlerhaften Installation/Einpassung der Haustüre; kein Einbau eines Standard-Profi-Zylinder mit Not- und Gefahrenfunktion; keine Einpassung der Verbindungsnähte des linken Seitenteils der Haustüre mittels der vom Profilsystemlieferanten Schüco vorgeschriebenen Fräsung; die Abdeckrosette beim Schlüsselloch befindet sich nicht genau mittig auf der Ausfräsung, da die Ausfräsung für den Profilzylinder im Profil und die Bohrung in der äußersten Profilwandung nicht exakt übereinander liegen; die Höhe des Edelstahlsockelblechs ist 5 cm höher als die Oberkante des Sockelprofils des Festfeldes.

Daraufhin trat der Besteller vom Werkvertrag zurück und verlangte seine 2742,95 Euro wieder. Der Türhersteller weigerte sich zu bezahlen. Die Mängel seien nicht wesentlich, teilweise nur optisch und würden zum Rücktritt nicht berechtigen.

Der Auftraggeber erhob Klage vor dem Amtsgericht München. Die zuständige Richterin gab ihm Recht:

Der Kläger habe in berechtigter Weise den Rücktritt vom Werkvertrag erklärt. Es stehe ihm daher der Anspruch auf Rückzahlung des bereits hälftig gezahlten Werklohns Zug um Zug gegen Rückgabe der Haustüre zu.

Die eingebaute Haustüre sei, wie der Sachverständige ausgeführt habe, nicht frei von Sachmängeln.

Diese Mängel berechtigten den Kläger zum Rücktritt, da sie alle zusammengenommen nicht unerheblicher Natur seien. Bei der Beurteilung dieser Frage müsse eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen werden. Dabei sei der für eine Mängelbeseitigung vorzunehmende Aufwand, die technische und ästhetische Beeinträchtigung sowie ein mögliches Mitverschulden eines Bestellers zu berücksichtigen. Von einer Erheblichkeit eines Mangels könne im Allgemeinen gesprochen werden, wenn die Kosten der Beseitigung des Mangels 10% der vereinbarten Gegenleistung ausmachten.

Der Sachverständige halte in seinem Gutachten Mängelbeseitigungskosten bzgl. des 1. Mangels in Höhe von 90 €, bzgl. des 2. Mangels in Höhe von 72,50 € für erforderlich. Daher würden diese Mängelpunkte für sich allein gesehen einen Rücktritt mangels Erheblichkeit nicht rechtfertigen.
Für den 3. Mangelpunkt – Verfüllung der offenen Fuge am stumpfen Stoß des Sockelprofils mit Dichtstoff – setze der Sachverständige hingegen Nettokosten in Höhe von 760 € -1000 € an, mithin brutto zwischen 904,40 € und 1190 €, da das Sockelprofil ausgetauscht werden müsse. Es handele sich auch nicht nur um einen optischen Mangel, der kaum sichtbar und damit unerheblich sei. Die Verfüllungen mit Dichtstoff seien klar zu erkennen. Bei einer ordnungsgemäßen Verarbeitung wäre die offene, klaffende Fuge nicht entstanden, die sodann nicht mit Dichtstoff ausgefüllt werden hätte müssen. Die Mängelbeseitigungskosten belaufen sich auf fast 1/5 der Gesamtkosten der Haustür, so dass auch aus wirtschaftlicher Sicht ein nicht unerheblicher Mangel gegeben sei.

Hinsichtlich des 4. Mangels – nicht mittige Abdeckrosette beim Schlüsselloch sei festzuhalten, dass dieser Mangel für sich allein betrachtet einen Rücktritt nicht rechtfertigen könnte: der Schlüssel könne entsprechend den Feststellungen des Sachverständigen infolge Nachbesserung der Beklagten zwischenzeitlich mit normalen Kraftaufwand gedreht werden. Die Abdeckrosette könne auch nicht mittig angebracht werden, da die Bohrung auf dem Haustürblatt für die Abdeckrosette nicht exakt der Ausfräsung für den Profilzylinder im Profil selbst entspräche. Diese Versetzung nach links könnte auch durch eine etwas größere Abdeckrosette behoben werden.

Hinsichtlich des 5. Mangels sei die Entfernung des Edelstahlsockelblechs nicht sinnvoll, da es zu einer Beschädigung der Lackierung kommen könnte. Es müsste daher entweder eine neue Haustüre angefertigt werden oder ein Blendrahmensockelprofil in entsprechender Höhenanfertigung zum Edelstahlsockelblech besorgt werden, soweit es ein Blendrahmensockelprofil in unterschiedlichen Höhen herstellerbedingt überhaupt gäbe. Dies würde erhebliche Kosten verursachen. Damit sei aber auch dieser Mangel nicht unerheblich.

Damit läge in der Gesamtschau eine erhebliche Mangelhaftigkeit vor, die zum Rücktritt berechtigte.

Das Urteil ist rechtskräftig.
Urteil des Amtsgerichts München vom 7.2.13, AZ 275 C 30434/12

Pressemitteilung des AG München vom 17.06.2013

Anwaltskanzlei Canestrini Clark – Augsburg, Donauwörth und Göppingen

Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Keine Benachteiligung wegen der Weltanschauung

Wird ein Arbeitnehmer wegen seiner Weltanschauung oder wegen bei ihm vermuteter Weltanschauung benachteiligt, kann dies Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche nach dem AGG auslösen, so das Urteil des BAG. Persönliche Einstellungen, Sympathien oder Haltungen seien keine „Weltanschauung“.

Der Sachverhalt

Aus dem Sachverhalt des Urteils geht hervor, dass die Klägerin u.a. an der Pekinger Fremdsprachenuniversität Germanistik studiert hat. Mitglied einer politischen Partei war und ist sie nicht. Seit 1987 ist sie für die beklagte Rundfunkanstalt als arbeitnehmerähnliche Person in der China-Redaktion beschäftigt, wobei der letzte Honorarrahmenvertrag bis zum 31. Dezember 2010 befristet war. Die Klägerin bearbeitete als Redakteurin vorwiegend nicht-politische Themen.

Im April 2010 bewarb sie sich erfolglos für eine Festanstellung. Ende Juni 2010 teilte die Beklagte mit, dass sie über das Jahresende 2010 hinaus den befristeten Honorarrahmenvertrag nicht mehr verlängern werde. Die Klägerin erhielt die in diesem Fall vorgesehenen tariflichen Leistungen. Sie macht geltend, sie sei von der Beklagten benachteiligt worden, weil ihr diese – unzutreffend – eine Weltanschauung unterstellt habe. Die Beklagte habe bei ihr „Sympathie für die Volksrepublik China“ vermutet und „damit Unterstützung für die KP China“. Ihre Entlassung sei darauf zurückzuführen, dass die Beklagte angenommen habe, „sie sei gegenüber der Volksrepublik China zu regierungsfreundlich“. Die Beklagte habe sie daher wegen einer unterstellten, in der Sache aber nicht gegebenen Weltanschauung diskriminiert.

Die Entscheidung

Die Klage blieb in allen drei Instanzen ohne Erfolg. Es kann dahinstehen, ob und wo heute noch eine „kommunistische Weltanschauung“ o.ä. existiert. Unbestritten lehnt die Klägerin derartiges für sich ab und ist auch nicht Mitglied der KP China. Sofern sie der beklagten Rundfunkanstalt vorhält, diese sei davon ausgegangen, sie hege Sympathie für die Volksrepublik China und berichte freundlich über deren Regierung, trägt sie keine Tatsachen vor, die den Schluss darauf zulassen, sie sei wegen einer ihr unterstellten Weltanschauung benachteiligt worden.

Selbst wenn die Beklagte im Rahmen der ihr grundrechtlich garantierten Rundfunkfreiheit eine stärkere journalistische Distanz zu der Regierung in Peking durchsetzen wollte und deswegen die Zusammenarbeit mit der Klägerin beendet hätte, indizierte dies nicht, dass die Beklagte der Klägerin eine Weltanschauung unterstellt hätte. Im Übrigen bedeutet Sympathie für ein Land nicht Sympathie für eine die Regierung tragende Partei; schon gar nicht kann nach der Lebenserfahrung angenommen werden, dass deren weltanschauliche Fundierung, so sie eine hat, vom Sympathisanten geteilt wird. Der Senat hat daher wie die Vorinstanzen die Klage als unschlüssig abgewiesen.

Gericht:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.06.2013 – 8 AZR 482/12

Pressemitteilung des BAG vom 20.06.2013

Anwaltskanzlei Canestrini Clark – Augsburg, Donauwörth und Göppingen

Banken- und Kapitalmarktrecht

Bankenrecht: Rückzahlungspflicht der Postbank AG wegen unwirksamer Klausel zum Bearbeitungsentgelt

Die 8. Zivilkammer (Berufungskammer) des Landgerichts Bonn hat am 16.04.2013 (Aktenzeichen 8 S 293/12) die Postbank AG zur Rückzahlung eines anlässlich des Abschlusses eines VerbraucherKreditvertrages gezahlten „Bearbeitungsentgelts“ verurteilt, weil die zugrundeliegende Vereinbarung wegen unangemessener Benachteiligung des Verbrauchers unwirksam sei.

Die Kläger schlossen im März 2012 über das Internet mit der Postbank AG einen Online-Kreditvertrag über eine Kreditsumme von 40.000 Euro ab. Die Vertragsmaske der Beklagten enthielt einen von dieser vorgefertigten Abschnitt, nach dem ein „Bearbeitungsentgelt“ für die Kapitalüberlassung geschuldet sei. Dieses wurde von der Beklagten mit 1.200 Euro berechnet und in das Formular eingesetzt.

Auch in der „Europäische(n) Standardinformation für „Verbraucherkredit“, die den Klägern bei Abschluss des Vertrags ausgehändigt wurde, war das Bearbeitungsentgelt betragsmäßig enthalten. Für die Kläger ergab sich ein Gesamtdarlehensbetrag von 49.129,27 Euro.

Die streitgegenständliche Klausel hat den folgenden Wortlaut:

Bearbeitungsentgelt EUR

Das Bearbeitungsentgelt wird für die Kapitalüberlassung geschuldet. Das Entgelt wird mitfinanziert und ist Bestandteil des Kreditnennbetrages. Es wird bei der Auszahlung des Darlehens oder eines ersten Darlehensbetrages fällig und in voller Höhe einbehalten.

Das Amtsgericht Bonn hat der Klage auf Rückzahlung in Höhe von 1.200 Euro nebst Zinsen mit Urteil vom 30.10.2012 (108 C 271/12 –AG Bonn) stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung der Postbank AG hatte keinen Erfolg. Die 8. Zivilkammer hat entschieden, dass es sich bei dem „Bearbeitungsentgelt“ um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 BGB*) handele. Es sei unerheblich, dass sich der Betrag oder dessen Berechnungweise nicht unmittelbar aus der Klausel ergebe, weil die Kunden auf das von der Beklagten pauschal berechnete Entgelt jedenfalls keinen Einfluss gehabt hätten. Diese Klausel unterliege als sogenannte Preisnebenabrede der gerichtlichen Kontrolle. Sie benachteilige auch den Verbraucher im Sinne der §§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB** unangemessen. Das „für die Kapitalüberlassung geschuldete […] Bearbeitungsentgelt“ stelle sich als unzulässiges zusätzliches Entgelt für die Erfüllung vertraglicher Pflichten durch die Bank dar. Die Bearbeitung und Auszahlung des Darlehensbetrages an den Kunden erfolge im eigenem Interesse der Beklagten. Das „Bearbeitungsentgelt“ stelle auch kein zulässiges Disagio dar. Es sei schon nicht als solches bezeichnet. Auch sei keine (anteilige) Erstattung des Betrages im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Vertrages vorgesehen. Die Kammer hat die Revision zugelassen. Diese ist innerhalb eines Monats ab Zustellung des Urteils unmittelbar beim Bundesgerichtshof durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt einzulegen.

Pressemitteilung des LG Bonn vom 19.04.2013

Anwaltskanzlei Canestrini Clark – Augsburg, Donauwörth und Göppingen