Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Anspruch auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit

Gemäß § 15 Abs. 5 Satz 1 BEEG kann der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin beim Arbeitgeber während der Elternzeit eine Verringerung der Arbeitszeit und ihre Ausgestaltung beantragen. Über den Antrag sollen sich die Arbeitsvertragsparteien innerhalb von vier Wochen einigen (§ 15 Abs. 5 Satz 2 BEEG). Nach § 15 Abs. 6 BEEG kann der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 7 BEEG während der Gesamtdauer der Elternzeit zweimal eine Verringerung der Arbeitszeit beanspruchen, soweit eine einvernehmliche Regelung nicht möglich ist.
Die Klägerin ist seit 2006 bei der Beklagten in Vollzeit beschäftigt. Sie brachte am 5. Juni 2008 ein Kind zur Welt und nahm zunächst für die Dauer von zwei Jahren bis zum 4. Juni 2010 Elternzeit in Anspruch. Am 3. Dezember 2008 vereinbarten die Parteien die Verringerung der Arbeitszeit für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Mai 2009 auf wöchentlich 15 Stunden und für die Zeit vom 1. Juni 2009 bis zum Ende der Elternzeit am 4. Juni 2010 auf wöchentlich 20 Stunden. Mit Schreiben vom 7. April 2010 nahm die Klägerin ab dem 5. Juni 2010 bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ihres Kindes erneut Elternzeit in Anspruch und beantragte gleichzeitig, wie bisher 20 Stunden wöchentlich zu arbeiten. Die Beklagte lehnte dies ab.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, das Angebot der Klägerin auf entsprechende Vertragsänderung anzunehmen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen.
Die Revision der Klägerin hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Dem Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit steht entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts die Vereinbarung der Parteien vom 3. Dezember 2008 nicht entgegen. Einvernehmliche Elternteilzeitregelungen sind nicht auf den Anspruch auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit anzurechnen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Februar 2013 – 9 AZR 461/11 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 18. Mai 2011 – 5 Sa 93/10 –

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes vom 19.02.2013

Anwaltskanzlei Canestrini Clark – Augsburg, Donauwörth und Göppingen

Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Schwerbehinderung – Benachteiligung im Bewerbungsverfahren

Ein Beschäftigter, der eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) beansprucht, weil er sich wegen eines durch das AGG geschützten Merkmals benachteiligt sieht, muss Indizien dafür vortragen, dass seine weniger günstige Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt oder dies zumindest zu vermuten ist.

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch der Klägerin. Diese ist schwerbehindert und wurde bei einer Bewerbung nicht berücksichtigt. Sie war seit 1996 als Büro- und Schreibkraft im Bundespräsidialamt tätig. Nach längerer Erkrankung wurde im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements im Dezember 2009 festgelegt, dass sie nach Möglichkeit die Beschäftigungsdienststelle wechseln solle. Das Bundespräsidialamt wandte sich daraufhin auch an den Deutschen Bundestag, ob diese – nicht namentlich bezeichnete – Beschäftigte dort eingesetzt werden könne. Im Juni 2010 schrieb der Deutsche Bundestag eine Stelle als Zweitsekretärin/Zweitsekretär für das Büro der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages aus. Auf diese Stelle bewarb sich die Klägerin, die über die verlangte berufliche Ausbildung verfügt, unter Hinweis auf ihre Schwerbehinderung. Am 20. August 2010 fand ein Vorstellungsgespräch mit der Klägerin statt, an dem vonseiten des Deutschen Bundestages über zehn Personen teilnahmen, ua. die Vertrauensfrau der Schwerbehinderten. Ohne Angabe von Gründen wurde der Klägerin am 1. September 2010 eine Absage erteilt. Nach der Ankündigung, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, teilte der Deutsche Bundestag am 10. Dezember 2010 mit, dass die Ablehnung der Klägerin in keinem Zusammenhang mit der Schwerbehinderung gestanden habe. Vielmehr habe sie im Rahmen des Vorstellungsgesprächs keinen überzeugenden Eindruck hinterlassen.

Wie schon in den Vorinstanzen blieb die Entschädigungsklage auch vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Die Klägerin hat keine Indizien vorgetragen, die die Vermutung zulassen, ihre Bewerbung sei wegen ihrer Schwerbehinderung erfolglos geblieben. Zwar hat die Beklagte die Gründe für die Ablehnung der Klägerin zunächst nicht dargelegt. Dazu wäre sie jedoch nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX nur verpflichtet gewesen, wenn sie der Pflicht zur Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen nicht hinreichend nach § 71 SGB IX nachgekommen wäre. Das hat die Klägerin nicht dargelegt. Auch die weiteren, von der Klägerin angeführten Tatsachen stellen keine Indizien dafür dar, dass sie wegen ihrer Behinderung bei der Bewerbung unterlegen ist. Auch der Ablauf des Vorstellungsgespräches lässt diesen Schluss nicht zu.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Februar 2013 – 8 AZR 180/12 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Dezember 2011 – 3 Sa 1505/11 –

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes vom 21.02.2013

Anwaltskanzlei Canestrini Clark – Augsburg, Donauwörth und Göppingen

Baurecht

Baurecht: Garage erlaubt aber Zufahrt verboten

Ein Grundstückseigentümer, der den mit einer Grunddienstbarkeit abgesicherten Überbau einer Nachbargarage auf seinem Grundstück dulden muss, ist nicht verpflichtet, dem Nachbarn zu gestatten, die über das Grundstück verlaufende Garagenzufahrt zu benutzen. Das hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 22.11.2012 unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Hagen entschieden.

Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hatte über einen Streit zwischen Eigentümern in Hagen gelegener, benachbarter Grundstücke zu entscheiden. Die Garage der Kläger steht etwa zur Hälfte auf dem Grundstück der Beklagten. Diesen Überbau haben die Beklagten aufgrund einer im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeit zu dulden. Um ein Auto in der Garage zu parken, müssen die Kläger eine ca. 4-5 m lange Garagenzufahrt befahren, die sich zu gut einem Drittel auf dem Grundstück der Beklagten befindet. Ein im Grundbuch eingetragenes Wegerecht sichert die Zufahrt zur Garage nicht ab. Nachdem die Beklagten den Klägern die Überfahrt über ihr Grundstückstück untersagt hatten, haben die Kläger auf Duldung der Zufahrt zu ihrer Garage geklagt. Dabei haben sie gemeint, die Befugnis zur Zufahrt folge aus der eingetragenen Grunddienstbarkeit sowie aus den nachbarrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. Diese beinhaltenden nicht nur eine Duldungspflicht hinsichtlich der Garage sondern auch hinsichtlich der Zufahrt als dazugehörender „Funktionsfläche“.

Der Rechtsansicht der Kläger ist der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm nicht gefolgt und hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich nicht aus der eingetragenen Dienstbarkeit, die nicht das Recht beinhalte, die Zufahrt zu befahren. Nach ihrem Wortlaut beziehe sich die Dienstbarkeit nur darauf, dass ein Überbau in Form einer Garage zu dulden sei. Das schließe dieGaragenzufahrt nicht ein. Dass der Rechtsvorgänger der Beklagten bei der Bewilligung der Dienstbarkeit angenommen habe, die Zufahrt zur Garage sei gewährleistet, verpflichte die Beklagten nicht. Auch auf eine andere Rechtsgrundlage könnten die Kläger ihren Anspruch nicht stützen.

Der Fall eines den Klägern gem. § 917 BGB zustehenden Notwegerechts liege nicht vor. Die mit dem erlaubten Überbau gem. § 912 BGB verbundene Duldungspflicht erfasse die Garagenzufahrt als sog. „Funktionsfläche“ nicht. Aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis lasse sich er Anspruch ebenfalls nicht herleiten.

Urteil des 5 Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 22.11.2012 (I-5 U 98/12), nicht rechtskräftig (BGH V ZR 24/13)

Pressemitteilung des OLG Hamm vom 22.02.2013

Autor: Anwaltskanzlei Canestrini Clark – Augsburg, Donauwörth, Göppingen

Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wegen Besitz kinderpornographischer Materialien

Der Kläger wurde im März 2007 in ein Beamtenverhältnis auf Probe ernannt und war zuletzt als Regierungsinspektor bei der Bundeswehrverwaltung eingesetzt. Mit Strafbefehl vom 03.07.2008 wurde er wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften bzw. Daten zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 25,00 EUR verurteilt. Durch eine polizeiliche Durchsuchung der Wohnung des Klägers war auf dessen privaten Laptop, auf einer externen Festplatte sowie auf einer CD und einer DVD eine mindestens dreistellige Anzahl an Bilddateien gefunden, welche überwiegend einen kinderpornographischen Inhalt hatten. Der Kläger gab an, sein Vater habe die Dateien gespeichert; er habe diese nur im Besitz gehabt, um sie auf Bitte seines Vaters zu löschen. Den gegen den Strafbefehl eingelegten Einspruch nahm der jedoch Kläger zurück, nach seinen Angaben nur, um den Vater zu schützen. Aufgrund seiner Verurteilung wegen des Besitzes kinderpornographischen Materials wurde der Kläger durch Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 19.11.2010 aus dem Beamtenverhältnis entlassen.

Mit seiner hiergegen erhobene Klage macht er geltend, er habe seit Jahren einen Rechtsanspruch auf Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit, Die Verurteilung zu 120 Tagessätzen sei mild. Sein Amt habe keinen Bezug zu Kindern oder Jugendlichen und er sei kein Vorgesetzter. Seine Straftat sei in der Öffentlichkeit nicht bemerkt worden, sodass das Ansehen des Berufsbeamtentums nicht tangiert werden könne.

Dem ist die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts nicht gefolgt und hat die Klage abgewiesen, da dem Kläger ein schweres Dienstvergehen anzulasten sei. Es liege ein außerdienstliches Verhalten vor, das in besonderem Maße geeignet sei, das Vertrauen in einer für das Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Kläger mit dem Besitz von pornografischen Darstellungen, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben, kriminelles Unrecht nach § 184 b Abs. 4 Satz 2 des Strafgesetzbuches – welcher eine Strafe von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe vorsehe – begangen habe. Wer als Beamter in dieser Weise versage, beweise erhebliche Persönlichkeitsmängel mit der Folge einer nachhaltigen Ansehensschädigung oder gar des völligen Ansehensverlustes, weil er das Vertrauen, das der Dienstherr in seine Selbstbeherrschung, Zuverlässigkeit und moralische Integrität setzt, nachhaltig und deutlich erschüttert bzw. zerstört habe. Dem Kläger, der keinerlei Einsicht oder gar Reue gezeigt habe, fehle es vor allem an dem Mindestrespekt gegenüber Kindern und Jugendlichen. Seine Behauptung, er habe die Dateien lediglich für seinen Vater löschen wollen, sei nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung, in der der Vater als Zeuge vernommen worden war, eine Schutzbehauptung. Es treffe zwar zu, dass dieses außerdienstliche Verhalten des Klägers keinen Bezug zu der konkreten Ausübung seines Amtes aufweise. Weder habe der Kläger die Dateien auf seinem Dienstcomputer ge-speichert noch habe zu seiner Dienstausübung der Umgang mit Kindern und Jugendlichen gehört. Der Besitz kinderpornographischer Materialien stelle jedoch ein schwerwiegendes Dienstvergehen dar. Kinderpornografie überschreite die Grenzen des sexuellen Anstands, welche durch die gesellschaftlichen Wertvorstellungen und das Menschenbild des Grundgesetzes bestimmt würden. Der Besitz derartiger Materialien sei ein erheblicher Beitrag zum sexuellen Missbrauch von Kindern und eine Förderung des Marktes mit kinderpornografischen Inhalten. Mache sich ein Beamter auf Probe eines Verhaltens schuldig, das bei einem Beamten auf Lebenszeit disziplinarisch mindestens mit einer Gehaltskürzung zu ahnden wäre, so komme er für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht mehr in Betracht.

Das Urteil (Az.: 12 K 1927/11) ist nicht rechtskräftig. Der Kläger hat am 29.01.2013 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, über den der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim entscheiden wird.

Pressemitteilung des VG Stuttgart vom 13.02.2013

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Arzthaftungsrecht

Arzthaftungsrecht: Krankenhaus erkannte Gehirnblutung nicht

Aufgrund plötzlicher Kopfschmerzen begab sich der 34-jährige Kläger in ein Krankenhaus. Mit der Diagnose „Spannungskopfschmerzen“ wurde er wieder entlassen. Ein ärztlicher[nbsp]Behandlungsfehler, denn Tage danach kam es zur großen Gehirnblutung.

Ein Krankenhaus haftet für eine nicht erkannte, durch Aneurysmen im Gehirn entstandene Subarachnoidalblutung in Form einer Warnblutung (warning leak), wenn der Patient aufgrund 13 Tage später erneut aufgetretener Subarachnoidalblutungen schwere Gesundheitsschäden erleidet. Das Oberlandesgericht Hamm hat damit das erstinstanzliche Urteil durch das Landgericht Paderborn dem Grunde nach bestätigt.

Der Sachverhalt

Aufgrund plötzlich aufgetretener, heftiger Kopfschmerzen hatte der auf Montage arbeitende, seinerzeit 34jährige Kläger am 13.07.2005 die Notaufnahme des beklagten Krankenhauses aufgesucht und war dort noch am gleichen Tag mit der Diagnose „Spannungskopfschmerz“ nach der Behandlung mit einem Schmerzmittel entlassen worden.

Ab dem 26.07.2005 erlitt der Kläger weitere Subarachnoidalblutungen, die ihm zu einem schweren Pflegefall gemacht haben. Er kann nicht mehr gehen, nur noch auf niedrigem Niveau kommunizieren und lediglich breiige Kost schlucken. Wegen des behaupteten ärztlichen Behandlungsfehlers – der am 13.07.2005 nicht erkannten Subarachnoidalblutung in Form einer Warnblutung – hat der Kläger von dem beklagten Krankenhaus 200.000 € Schmerzensgeld, den Ersatz von über 45.000 € materieller Schäden und die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden verlangt.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm

Der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat die Schadensersatzpflicht des beklagten Krankenhauses dem Grunde nach bestätigt. Die ärztliche Behandlung am 13.07.2005 sei fehlerhaft gewesen, weil eine notwendige Befundung in Richtung auf eine Subarachnoidalblutung in Form einer Warnblutung unterblieben sei. Im Falle einer ausreichenden Befundung wäre die Blutung entdeckt worden und hätte zu dieser Zeit mit großen Heilungschancen behandelt werden können. Die später aufgetretene große Blutung wäre vermieden worden. Hiervon sei aufgrund einer dem Kläger zugutekommenden Beweislastumkehr auszugehen. Da die Umstände, nach denen sich die Höhe des Schmerzensgeldes und der Umfang des materiellen Schadens bemessen, noch aufzuklären seien, sei die Beklagte zunächst dem Grunde nach zum Schadensersatz zu verurteilen.

Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 09.11.2012 – I-26 U 142/09, nicht rechtskräftig (BGH[nbsp]VI ZR 12/13).

Pressemitteilung des OLG Hamm vom 08.02.2013

Erbrecht

Erbrecht: Wer beerbt den enterbten Schlusserben

Die beteiligte Tochter und ihre Schwester sind die erstehelichen Kinder des[nbsp]Ehemanns, der in zweiter Ehe mit der Erblasserin verheiratet war. Im Jahre[nbsp]1977 hatten sich die Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament wechselseitig zu Erben eingesetzt. Zu Schlusserben des zuletzt Versterbenden[nbsp]hatten sie die beiden erstehelichen Töchter des Ehemanns mit jeweils hälftigem Erbteil bestimmt. Zugleich hatten sie angeordnet, dass die Einsetzung[nbsp]als Schlusserbe entfällt, falls nach dem Tode des Vaters (und Ehemanns) der[nbsp]Pflichtteil gefordert wird. Nachdem die Schwester nach dem Tode des zuerst[nbsp]verstorbenen Vaters im Jahre 1980 ihren Pflichtteil verlangt hatte, schied sie[nbsp]als Schlusserbin aus. Die im Jahre 2010 verstorbene Erblasserin errichtete[nbsp]im Jahre 2006 einen Erbvertrag, mit dem sie eine vom gemeinschaftlichenTestament abweichende Erbeinsetzung vornahm. Nach ihrem Tode stritten[nbsp]die durch das gemeinschaftliche Testament begünstigte Tochter des Ehemanns und die durch den Erbvertrag begünstigte Tochter der Erblasserin um[nbsp]den hälftigen Schlusserbteil der ausgeschiedenen Schwester. Die Tochter[nbsp]des Ehemanns beantragte einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein.

Nach der Auffassung des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm zu[nbsp]Recht. Der durch das gemeinschaftliche Testament begünstigten Tochter sei[nbsp]der Erbteil ihrer ausgeschiedenen Schwester angewachsen. Dies entspreche[nbsp]dem Willen der Eheleute bei der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments, auf den abzustellen sei. Durch die Erbeinsetzung der Kinder des[nbsp]Ehemanns sei dessen Verwandtschaft der Vorzug vor der weiteren Verwandtschaft der Erblasserin eingeräumt worden. Anhaltspunkte dafür, dass[nbsp]beim Wegfall eines von mehreren Schlusserben eine abweichende Erbfolge[nbsp]gewollt sei, gebe es nicht. Die Erbeinsetzung im gemeinschaftlichen Testament sei auch hinsichtlich der Regelung beim Wegfall eines Schlusserben[nbsp]wechselbezüglich und damit für die Erblasserin nach dem Tode des Ehemanns bindend geworden. Das folge ebenfalls daraus, dass dem gemeinschaftlichen Testament keine anderweitige Bestimmung zu entnehmen sei.Deswegen habe die Erblasserin die Erbfolge im Erbvertrag nicht anders regeln können.

Beschluss des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom[nbsp]27.11.2012 (I-15 W 134/12)

Pressemitteilung des OLG Hamm vom 25.01.2013

Banken- und Kapitalmarktrecht

Bankenrecht: Anleger darf auf das Wort des Anlageberaters vertrauen

Ein Kapitalanleger handelt nicht grob fahrlässig, wenn er im Vertrauen auf eine mündliche Beratung schriftlichen Risikohinweisen im Anlageprospekt nicht nachgeht und auf ihre Richtigkeit überprüft.

Ein Anleger verkennt einen Beratungsfehler des Anlageberaters nicht grob fahrlässig, wenn er die im Zeichnungsschein enthaltenen pauschalen Hinweise auf eine „nicht mündelsichere Kapitalanlage“ und im Anlageprospekt abgedruckte Risikohinweise nicht zum Anlass genommen hat, die mündlichen Empfehlungen und Informationen des Anlageberaters zu hinterfragen und auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.

Der Sachverhalt

Im März 2004 beteiligte sich die seinerzeit 19 Jahre alte, erwerbslose Klägerin nach Beratung und auf Empfehlung des Beklagten, einem im Landgerichtsbezirk Hagen ansässigen selbständigen Finanzdienstleister, an einem geschlossenen Leasingfonds, der als sog. „blind Pool“ ausgestaltet und als „Steuersparmodell“ insbesondere auf die Erzielung hoher steuerlicher Verlustzuweisungen ausgerichtet war.

Die Klägerin hatte den angelegten Geldbetrag in Höhe von 50.000 € nach dem Tode ihrer Eltern geerbt und wollte diesen für die Zukunft gut und sicher angelegt wissen. Die Kapitalanlage führte zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Die Klägerin hat Prozesskostenhilfe für eine im Jahr 2012 gegen den Beklagten erhobene Schadensersatzklage begehrt. Dieser habe ihr – so die Klägerin – die Beteiligung als sichere Kapitalanlage empfohlen und auf Risiken nicht hingewiesen. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und gemeint, angesichts der im Jahre 2004 durchgeführten Beratung sei die dreijährige Verjährungsfrist bei Klageerhebung vollendet gewesen.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm

Der 34. Zivilsenat hat der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt. Von einer Verjährung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs sei nicht auszugehen. Dass die Klägerin die Hinweise im Zeichnungsschein nicht zum Anlass genommen habe, die von ihr behauptete Falschberatung des Beklagten zu hinterfragen, rechtfertige nicht den Vorwurf einer den Beginn der Verjährungsfrist nach §[nbsp]199[nbsp]Abs. 1 Nr. 2 BGB auslösenden grob fahrlässigen Unkenntnis.

Die pauschalen Hinweise im Zeichnungsschein seien schon für sich genommen inhaltlich wenig aussagekräftig und insgesamt nicht geeignet, einem „durchschnittlichen Anleger“, geschweige denn einem unerfahrenen Anleger wie der Klägerin, die Anlagerisiken verständlich vor Augen zu führen.

Anleger darf auf das gesprochene Wort vertrauen

Abgesehen davon habe es im Streitfall bei dem Grundsatz zu verbleiben, dass ein Anleger im Allgemeinen auf das gesprochene Wort seines Beraters vertrauen dürfe. Anderenfalls bliebe außer Acht, dass der Anleger bei seiner Anlageentscheidung die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters oder Vermittlers in Anspruch nehme und daher dessen Ratschlägen und Auskünften, die dieser ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreite, besonderes Gewicht beimesse. In diesem Fall sei es auch dann nicht als grob fahrlässig anzusehen, wenn der Anleger bei gründlicher Lektüre des Zeichnungsscheins hätte erkennen können, dass die angeblich sichere Anlage wohlmöglich vom Berater ungenannte oder durch mündliche Erklärungen „verwässerte“ Risiken in sich trage, ein Studium des Zeichnungsscheins aber gerade im Vertrauen auf die Richtigkeit der Erklärungen des Beraters unterblieben sei.

Nach summarischer Prüfung im Prozesskostenhilfeverfahren hat der 34. Zivilsenat dem Prozesskostenhilfegesuch auch im Übrigen hinreichende Erfolgsaussichten zuerkannt. Nach dem Vorbringen der Klägerin spreche viel dafür, dass diese zum einen nicht ordnungsgemäß über die Risiken und Eigenschaften der streitgegenständlichen Kapitalanlage informiert und ihr zum anderen mit dem in Rede stehenden Fonds eine Geldanlage empfohlen worden sei, die weder zu ihren Anlagezielen und ihrem Anlagehorizont noch zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gepasst habe.

Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 03.01.2013 – I-34 W 173/12

Pressemitteilung des OLG Hamm vom 29.01.2013

Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Eingruppierung einer „Laborspülkraft“ – Begriff der Unterhaltsreinigung

Eine als „Laborspülkraft“ beschäftigte Arbeitnehmerin, die in einem Labor benutzte Glasgeräte mehrfach am Tag einzusammeln, mit einer Industriespülmaschine zu reinigen und diese Arbeitsmittel im gereinigten Zustand an die Arbeitsplätze zurück zu stellen hat, kann eine Vergütung nach der Lohngruppe 1 des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk (RTV) beanspruchen. Bei der Tätigkeit handelt es sich um Unterhaltsreinigungsarbeiten.

Die Klägerin ist bei der Beklagten mit einem arbeitsvertraglich vereinbarten Stundenlohn von 7,30 Euro brutto beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk. Die Klägerin arbeitet für die Beklagte in einem Forschungslabor eines Chemieunternehmens. Ihre Tätigkeit besteht darin, die von den Beschäftigten des Labors benutzten Reagenzgläser sowie Zylinder und Kolben aus Glas viermal pro Arbeitstag einzusammeln, in einer von ihr zu bedienenden Industriespülmaschine zu reinigen und die gesäuberten Gegenstände wieder auszuräumen. Einige der Glasgegenstände werden von der Klägerin auch mit Ethanol gereinigt. Am nächsten Tag werden die Gläser von ihr wieder in die Labore gebracht. Die Klägerin verlangt von der beklagten Arbeitgeberin ein tarifliches Entgelt und meint, ihre Tätigkeit sei nach der Lohngruppe 1 RTV – „Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten“ – zu vergüten.

Die Revision der Beklagten gegen das stattgebende Urteil des Landesarbeitsgerichts blieb vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Der tarifliche Begriff der Unterhaltsreinigung erfasst auch die von der Klägerin zu verrichtenden Tätigkeiten. Die von ihr zu reinigenden Objekte gehören zu der bestimmungsgemäßen Ausstattung der Labore. Die Reinigung der Arbeitsmittel ermöglicht deren ordnungsgemäße weitere Verwendung und stellt sich für das Labor als Unterhaltsmaßnahme dar. Ein unmittelbarer Bezug der Tätigkeit zur Reinigung eines Raumes als solchem, dort fest installierter oder nicht ohne Weiteres zu entfernender „Einrichtungsgegenstände“ ist zur Erfüllung dieser tariflichen Voraussetzung nicht erforderlich.
Pressemtteilung des Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 30. Januar 2013 – 4 AZR 272/11 –
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4.Februar 2011 – 9 Sa 501/10-

Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Armbruch während Raucherpause kein Arbeitsunfall

Risiko Raucherpause! Wer sich auf dem Rückweg von der Raucherpause zum Arbeitsplatz verletzt, erleidet keinen Arbeitsunfall und steht damit nicht unter dem Schutz der Unfallversicherung. Das Rauchen ist eine persönliche Angelegenheit ohne sachlichen Bezug zur Berufstätigkeit. Deshalb besteht bei einer Verletzung kein Anspruch auf Heilbehandlung, Verletztengeld oder Rente gegen die gesetzliche Unfallversicherung.

Die damals 46 jährige Klägerin aus Berlin-Neukölln arbeitete als Pflegehelferin in einem Berliner Seniorenheim. Im Januar 2012 ging sie wegen des im Gebäude geltenden Rauchverbots auf eine Zigarette vor die Tür. Auf dem Rückweg zu ihrem Arbeitsplatz stieß sie in der Eingangshalle mit dem Hausmeister zusammen. Dieser verlor einen Eimer Wasser, die Klägerin rutschte aus und brach sich den rechten Arm.

Die Klägerin meinte, dass es sich um einen Arbeitsunfall handelte. Sie sei am Arbeitsplatz gestürzt. Den Weg durch die Eingangshalle würde sie täglich mehrmals bei allen möglichen Gelegenheiten zurücklegen. Dass sie in diesem Fall vom Rauchen zurückgekommen sei, dürfe keine Rolle spielen. Die beklagte Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab.

Hiergegen erhob die Klägerin im September 2012 Klage.

Die 68. Kammer des Sozialgerichts Berlin (in der Besetzung mit einer Berufsrichterin und zwei ehrenamtlichen Richtern) bestätigte die Auffassung der Unfallversicherung und wies die Klage mit Urteil vom 23. Januar 2013 ab. Der Weg von und zur Raucherpause sei nicht der unfallversicherungsrechtlich geschützten Tätigkeit zuzurechnen. Es sei die freie Privatentscheidung der Klägerin, ob sie zum Rauchen gehe oder nicht. Ein Bezug zur beruflichen Tätigkeit bestehe nicht.

Das Rauchen sei insbesondere nicht mit der Nahrungsaufnahme vergleichbar. Essen und Trinken seien unter anderem notwendig, um die Arbeitskraft aufrechtzuerhalten. Beim Rauchen handele es sich hingegen um den Konsum eines Genussmittels und damit um eine Handlung aus dem persönlichen, nicht dem beruflichen Lebensbereich. Deshalb sei zwar der Weg zur Kantine versichert, nicht aber der Weg zur Raucherpause.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam angefochten werden.

Anmerkungen der Pressestelle:[nbsp]Ein Arbeitsunfall setzt voraus, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (§ 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VII). Nicht jede Tätigkeit im Laufe eines Arbeitstages fällt darunter.

Pressemitteilung des Sozialgerichtes Berlin vom 05.02.2013

Sozialgericht Berlin,[nbsp]Urteil vom 23. Januar 2013 (S 68 U 577/12

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Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Auch bei der Arbeit gilt: Eisgenuss auf eigene Gefahr

Das Sich-Verschlucken beim Schlecken von Speiseeis auf dem Weg von der Arbeit stellt keinen Arbeitsunfall dar. Folglich besteht kein Anspruch auf Heilbehandlung oder Verletztengeld gegen die gesetzliche Unfallversicherung wegen eines dadurch verursachten Herzinfarktes.

Der damals 49 jährige Kläger aus Berlin-Reinickendorf war als freiwillig versicherter Unternehmensberater tätig. Seinen Angaben nach befand er sich im Mai 2009 auf dem Heimweg von einem Geschäftstermin in Berlin-Mitte, als er sich auf einem U-Bahnhof ein Eis gekauft habe. Beim Einfahren der U-Bahn habe er das letzte Stück – einen hartgefrorenen Brocken – unwillkürlich verschluckt. Es sei in der Speiseröhre hängen geblieben, was blitzartig dumpfe Schmerzen verursacht habe. Wenig später wurde in der Rettungsstelle eines Krankenhauses ein Herzinfarkt festgestellt. Die beklagte Verwaltungs-Berufsgenossenschaft Berlin lehnte die begehrte Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab.

Der Vorsitzende der 98. Kammer des Sozialgerichts Berlin folgte der Auffassung der Beklagten und wies die im März 2010 mit Unterstützung eines Rechtsanwalts erhobene Klage durch Gerichtsbescheid vom 21. Oktober 2011 ab (also im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung). Es liege kein Arbeitsunfall vor, denn das Eisessen sei nicht der unfallversicherungsrechtlich geschützten Tätigkeit zuzurechnen.

Arbeitsunfälle seien Unfälle von Versicherten infolge einer versicherten Tätigkeit. Für die Zuordnung einer Handlung zum Kreis der versicherten Tätigkeit reiche ein bloßer zeitlicher und räumlicher Zusammenhang nicht aus. Vielmehr müsse ein sachlicher Zusammenhang zwischen Handlung und Berufstätigkeit bestehen. Die Nahrungsaufnahme sei daher grundsätzlich unversichert. Etwas anderes gilt nur, wenn die Nahrungsaufnahme ausnahmsweise zur Wiedererlangung der Arbeitskraft besonders erforderlich sei oder aus betrieblichen Gründen besonders schnell gegessen werden müsse. Eis jedoch werde erfahrungsgemäß zum Genuss verzehrt und nicht etwa, um sich für die Arbeit zu stärken. Dies gelte umso mehr, da sich der Kläger bereits auf dem Heimweg befunden habe.

Pressemitteilung des Sozialgerichtes[nbsp]Berlin, den 02.12.2011

Sozialgericht Berlin, Gerichtsbescheid vom 21. Oktober 2011 (S 98 U 178/10):